Ich bin der Klebstoffschnüffler – die Kunden machen meine Arbeit so absurd

Am 15. Januar 2018 habe ich unter dem Titel „Welchen Klebstoff die wohl morgens schnüffeln?“ einen bewusst provokanten Blog geschrieben, um auf die nach wie vor großen Qualitätsthemen im Bereich der Solarmodule aufmerksam zu machen und zu unserem Qualitätstag mit der DKB am 27.2.2018 nach Berlin einzuladen. https://neue-energiewelt.de/events/5-qualitaetstag-fuer-pv-und-speicher/
 

Es kamen etliche Reaktionen. Verschiedene Gespräche mit „Klebstoffschnüfflern“, die zum Teil sehr genervt waren, zeigen auch die andere Seite der Medaille: Im Grund einfach nur unfassbar dumme Kunden.

Ich erlaube mir, aus Notizen der Gespräche eine Person (der „Klebstoffschnüffler“) zu konstruieren, die an der Nahtstelle zwischen Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Geschäftsleitung für Qualitätsthemen verantwortlich ist. Die Geschichte des Klebstoffschnüfflers geht so:

 

Start der Geschichte [Herr Remmers - was glauben Sie eigentlich, was wir hier machen? Bewusst Scheiße produzieren? Und diese dann als Bonbons zu verkaufen? Oder was finden Sie daran verwerflich, sich für seinen Arbeitgeber einzusetzen, um Schaden von ihm fernzuhalten? Und dabei eben auch Anweisungen zu befolgen, die Kunden befremdlich erscheinen mögen? Sie wissen doch genau unter welchem Druck jeder Hersteller in der Branche steht. Ständig müssen neue Verfahren und Vorprodukte entwickelt und immer schneller zum Einsatz kommen. Hinzu kommen Marktbarrieren durch Zölle, die sich ständig ändern - gestern war es noch möglich für die USA in Deutschland zu produzieren, heute gibt es darauf 30% Zölle. Wie Nomaden ziehen Fertigungen um den Globus, um den bunten Flickenteppich von Zoll- und Local-Content-Regeln im Griff zu halten.

 

Und der Markt kennt keine Gnade, die Produkte müssen immer billiger werden. Und die Kunden haben keinerlei Loyalität, sind wir einen Cent/Wp billiger als andere kauft er bei uns, sonst beim nächsten. Finanziert wird eh fast alles, was wie ein Solarmodul aussieht, auch OEM-Fertigungen mit großen Problemen werden durch internationale Rückversicherer mit ihren Policen abgedeckt. Und die Zertifikate sind, sorry, nicht mehr wert als Klopapier. Denn wem wird schon mal ein Zertifikat entzogen, obwohl er Zellen von sonst woher nimmt? Oder auch in den BOM-zertifizierte, aber in der Serie einfach nur schrottige Zellen voller Waferfehler einsetzt? Das kontrolliert doch eh keiner. Und fragen Sie bei vielen Nachunternehmern doch bitte nicht nach Compliance. Irgendwo in einer Fertigung in einem abgelegenen Teil der Welt.

 

Und wie soll ich dann „meine Qualität“ argumentieren, wenn der Vertrieb jeden Tag neue Kunden bringt, die sogar Module auf Basis von Verträgen kaufen, wo nicht einmal die korrekte Adresse des Verkäufers eingetragen ist? Oder bei den Garantien in dem Kaufvertragsklopapier auf unsere Website als Quelle der Garantiebedingungen verweist. Egal was auch immer sich dort findet? Kunden, die sich bei x-MWp-Einkäufen darauf allen Ernstes einlassen, überhaupt keine Qualitätskontrollen zu machen oder von irgendwem irgendwo in der Welt? Egal wie unfähig oder korrupt der Kontrolleur ist? Aber wie gesagt: Die meisten kontrollieren erst gar nicht - und wir sagen halt „Wir sind doch ein Bloomberg tier1 und ach so groß“ und dann kuschen sie und bezahlen. Hauptsache billiger als beim anderen.

 

Mit Gutachtern, die es z.T. normal finden, Toleranzen zu Ungunsten der Kunden auszulegen oder auch das eben 270 Wp nach dem Auspacken und Auflegen halt mal schnell 3% weniger sein dürfen? Warum sollten wir das dann besser machen als andere? Da geben wir jahrzehntelange Produkt- und vor allem Leistungsgarantien und kaum ist das Produkt aus der Kiste, nun, dann zählt die Produktgarantie und ihre Eigenschaften halt für viele nix mehr.

 

Wie kann man als Profieinkäufer nur so saudumm sein?

 

Ich verstehe das nicht. Und fällt dann das Kind offenkundig in den Brunnen, sind die Vereinbarungen wachsweich und die Streiterei geht los. Natürlich werden wir dann einen Teufel tun, unsere eigene Firma ans Messer zu liefern oder dem Kunden entgegen zu kommen. Soll er doch erstmal beweisen, dass wir unsere zugesicherten und garantierten Produkteigenschaften nicht gepackt haben.

 

Nein, das macht keinen Spaß, aber nur auf Leute wie mich zu zeigen oder auf die Hersteller, das greift zu kurz. Und glauben Sie mir: Klebstoff schnüffelt bei uns keiner.] Ende der Geschichte

 

Hier ist die Geschichte ersteinmal zu Ende. Wie sehen Sie es: Hält man Sie auch für „saudumm“?

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Oekoschwein (Dienstag, 13 Februar 2018 08:23)

    Ein Hersteller, der sagt, er müsse einen etwas höheren Preis verlangen, weil das Einlösen der Garantien, die er gibt, mit Kosten verbunden ist, der macht sich verdächtig. Lieber denkt man nicht an diesen Fall, redet nicht darüber, lügt sich selber in die Tasche: "Mundus vult decipi", wie die Lateiner gerne sagen. Oder "Wir bauen eine Mauer und die Mexikaner werden dafür zahlen". Weitere Beispiele gefällig?

  • #2

    PVQ (Dienstag, 13 Februar 2018 10:58)

    Leider finde ich als Gutachter erschreckend viel Übereinstimmung mit der Realität in der Geschichte.
    Insbesondere bei Zellrissen in PV-Modulen herrscht die gängige Herstellermeinung: "Beweisen Sie mal, dass die Risse sich einmal negativ auswirken werden..."
    Stets meine (innere) Frage: Hat der Kunde "Qualität" bestellt/bezahlt--- oder "Bruchware"?
    Teilweise eine traurige Branche!

  • #3

    Karl- Heinz Remmers (Dienstag, 13 Februar 2018 14:17)

    Zu PVQ- das Produkt und seine großspurige Produktgarantie sind auch in den Herstellerunterlagen zur Beurteilung der Produktion als Rissfrei/ minimale Risse definiert und somit eine Produkteigenschaft. In der Praxis muss die Frage als draum gehen ob die Risse vor, beim Einbau oder danach entstanden sind. Und ja: Leider auch ob die Zellen überhaupt Rissfest waren und ob sie nicht massiv vorgeschädigt wurden (zb durch zu hartes Andrücken beim Anlöten der Busbars) und dann obwohl in den EL Bilder der Produktion rissarm am Ende dann doch kaputt gehen. Auch schon beim Wafering kann eine Rissbildung später seine Wurzel haben. Also gilt es mal klarzustellen dass ein Rissarmes/ freies Produkt das Produkt ist und nicht dieses unsinnige "das wirkt sich nicht negativ aus".

  • #4

    Christof Körner (Donnerstag, 15 Februar 2018 19:11)

    Stimmt alles! (außer vielleicht, dass man mich für dumm hält)
    1. kein Modulkauf ohne Lieferantenaudit (mit der Erfahrung von > 30 Jahren als Modulhersteller, EPC und Konsument.) Qualifizierung von 2 bis max. 5 Herstellern.
    2. EL Bilder aller Module vor dem Versand, Transportversicherung mit EL Beweisen, falls doch mal was im größeren Stil kaput geht :-(
    3. Stichprobenprüfung im anerkannten, erfahrenen Testinstitut unbedigt in den Kaufvertrag mit einbringen. Evt. erweiterte Stichprobentests gehen zu Lasten des Lieferanten.
    4. Hört sich nicht nur so an, ist auch aufwändig, aber man schläft danach viel besser.
    5. 1-4 gelten auch für andere Komponenten im Kraftwerk (wir müssen kapieren: Jede PV Anlage jeder Größe ist eine Erzeugungsanlage, und damit ein Kraftwerk. Bloß keine falsche Bescheidenheit!)

    Wir können keine Qualität in die PV hineintesten, aber die Hersteller herausfordern. Weiter so!


    Mein Motto: PV ist einfach, wenn man nur an alles gedacht hat!