Droht der Solarbranche ein zweites PID- Desaster? PERC- Module zeigen nach Aussagen im Markt z.T. massive Degradation

Ich habe im Dezember 2016 im Zuge einer Vorplanung eines Solarparks auch die Verwendung von PERC-Modulen für einen Partner geprüft. Da ich noch im Hinterkopf hatte, dass es bei PERC-Modulen sehr auf die Qualitätssicherung ankommt, um die noch auftretenden abrupten, ebenfalls lichtinduzierten Degradationen sicher in den Griff zu bekommen, habe ich einige Fachkollegen angerufen und nach ihrer Meinung gefragt. Die Antworten waren mehr als deutlich:
„Finger weg von dem Zeug“, „Sollen sich andere die Pfoten daran verbrennen- degradiert zum Teil wie nix“. Der Anruf bei Prüflaboren ergab: „Ja, stimmt, Prüfrichtlinien haben wir aber keine bisher“. Ein anderer Kollege, der ebenfalls zumindest prüft, ist hingegen bislang zufrieden mit seinen ‚PERC‘-Käufen.

Nachdem ich nun bis jetzt weitere Infos gesammelt und auch die wachsende internationale Berichterstattung intensiv angesehen habe, möchte ich die Branche an der Nahtstelle zur Anwendung mit deutlichen Worten davor warnen, PERC-Module unbesehen und/oder ohne zusätzliche Garantien (die auch werthaltig sind, dazu unten ein Hinweis von RA Andreas Kleefisch) zu kaufen.

Insider berichten, dass auch Mono-PERC-Module von der Degradation betroffen seien. Diese, für mich wegen Geheimhaltungsvereinbarungen nicht überprüfbaren, Aussagen kontrastieren mit der vielfach in der Branche anzutreffenden Meinung, dass Mono-PERC nicht so stark betroffen sei wie Poly-PERC.

Aber auch das Fachmagazin pv magazine Deutschland (Ausgabe März) berichtet rund um die Technikentwicklung von Themen bei Poly-PERC. pv magazine global Edition wird in der aktuellen Ausgabe 5/2017 schon im Editorial deutlicher: „particulary nasty problem“. Christian Buchner vom Anlagenbauer Schmid bestätigt, dass es noch immer Probleme mit PERC auf Polyzellen gibt (Seite 63 der Ausgabe). Rund um die Messe SNEC in Shanghai berichten viele von diversen Gespräche zur Anfälligkeit von Poly- und Mono-PERC gegenüber einer Licht/Temperatur-induzierten Degradation (LeTID) von PERC. Nach der Lektüre des pv magazine global 5/2017 bekommt man sogar den Eindruck, dass diese Probleme sehr weit verbreitet und tiefgreifend sind. Aber vielleicht liegt der Eindruck ja daran, dass ich kein Muttersprachler in Englisch bin. Oder aber es gibt einmal mehr die Situation, dass wie seinerzeit bei PID der „Maschinenraum“ sehr gut weiß was passiert, während man auf dem Schiffsdeck eine Party feiert bis es dann kracht.

Eine fachliche Beschreibung der LeTID -Thematik lieferte u.a. ein Vortrag beim TÜV Modulworkshop bereits im November 2015. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass dieser natürlich massiv werbliche Aussagen zu Modulen der Firma Hanwha Qcells enthält, welche wie bei allen Anbietern durch unabhängige Prüfungen der zu erwerbenden Module überprüft werden sollten. (Link zum Vortrag)

 

Der Maschinenbauer Schmid macht sogar seit zwei Jahren offensiv Werbung für eine technologische Alternative zu PERC – sie nennen es PERT (Link zum Artikel).

Bisher gibt es in den Modulprüfungen keine einheitlichen Testeinrichtungen oder wenigstens abgestimmte Verfahren zwischen Laboren. Testen kann man PERC-Module allerdings schon auf den LeTID-Effekt. Und so gibt es bereits jetzt eine muntere Streiterei, sobald PERC-Probleme auftauchen. Hersteller reden dann gerne von ungeeigneten Verfahren oder eben davon, dass es keine Normen gibt. Und dass man ja ohnehin nach Aufnahme des Betriebs der Module nur noch mit den eigenen Garantiebedingungen in der Haftung sei, die man so formulieren kann, dass eine Abweichung nur schwerlich nachweisbar ist. Das Ganze kommt ja eh erst zum Tragen, wenn Kunden die Abweichungen bemerken- ist das Wetter gut und das Monitoring vielleicht noch nicht komplett, dann kann sowas ja durchaus auch Jahre dauern.

Erinnert Sie das an etwas?
Ja – das PID-Degradationsdesaster, welches vor rund sechs Jahren begann und bis heute noch immer nicht zu 100% bewältigt ist, hatte auch alle diese Elemente (keine Prüfungen, großen Streit um die Prüfungen, Abstreiten, Streiten, Streiten, Streiten) und hat viel Schaden in der Branche angerichtet.
Oder auch an diverse Erfahrungen wie Polarisation von Tandemzellen oder die teilweise gravierenden Leistungseinbrüche oder Winterschlafeffekte mancher Dünnschichthersteller.  
Oftmals standen und stehen die Kunden mit ihren berechtigten Regressansprüchen allein da, sind doch etliche Hersteller pleite oder verstecken sich hinter ihren Garantieregeln oder sagen unverhohlen „Dann klagt doch“.

Warum passiert das immer wieder?
Sind die Kunden zu blöd und kaufen ohne Prüfungen ein? Wissen sie überhaupt, dass es mit der neuen Technik neue Prüfnotwendigkeiten gibt? Oder haben auch sie es aufgegeben, Module überhaupt zu testen, weil z.B. die Banken es nicht oder weniger wollen als früher? Oder denken sie, es ist alles gut, wenn ihr Modullieferant vorgibt in seinem „Partnerlabor“ zu prüfen, weil es einfacher und „kostenlos“ ist? Oder ist es den Kunden bzw. deren Partner in der Errichtung egal? Kann man den PV-Kunden also nach all den Erfahrungen noch immer (fast) alles vorsetzen? Zumindest hat man bei einigen einen solchen Eindruck, aber das ist wie immer nur eine Facette des gesamten Bildes, eine andere Facette richtet sich auf die Modulhersteller.

Wieso testen die Hersteller offenkundig einmal mehr ihre unausgereiften Produkte bei den (kleinen) Kunden? Und sind im Gros zudem nicht bereit, diesen Feldversuch z.B. mit einer klaren Austauschverpflichtung oder Bürgschaft zu unterlegen? Dann wäre ja ein Feldversuch in Ordnung, denn PERC & Co. werden eine große Rolle spielen. Immerhin sind bereits deutlich mehr als 20 GW an PERC-Anlagen (die Fa. Meyer Burger sagt, dass sie davon 80% geliefert hat) in den weltweiten Zellfabriken errichtet. Tendenz steigend und heute schon fast 20% der wirtschaftlich zu betreibenden Anlagenkapazität zur Zellproduktion weltweit. Ich bin auch davon überzeugt, dass einige Unternehmen die Technik bereits jetzt gut im Griff haben und sie sich durchsetzt. Aber bitte nicht wieder auf Kosten der Kunden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit PERC im Feld bisher?
Wir haben das Thema am 5.5.2017 auf unserer PV-Betreiberkonferenz vor 200 Teilnehmern gemeinsam mit dem Anwalt Andreas Kleefisch, Baumeister Rechtsanwälte / Qualitätsverband Solar und Dachtechnik e.V., angesprochen. (Link zur Betreiberkonferenz)

Zu den Garantiebedingungen sagt er: Gerade die Bedingungen von Herstellern von PERC-Modulen bestehen aus den üblichen Ausschlüssen. So werden nicht nur die Folgekosten (Produktionsausfallschaden, Kosten für Testing und Tausch) generell ausgeschlossen. Auch die Beschaffenheitsgarantie ist nur wenig wert. Meist wird die Ansatzgröße, von der aus die Abweichung / Degradation nach unten aus berechnet werden muss, formal so festgelegt, dass nach der Installation bzw. eine genau angegebene Zeit nach der ersten „Besonnung“ gemessen werden muss. Ebenso liegen für PERC-Module noch keine „den Regeln der Technik“ entsprechende Messszenarien vor. So wird es bei der Frage, ob die Module „ausreichend schlecht“ sind, um Ersatzlieferungen zu bekommen, Streit geben.

 

Hoffentlich gibt es den Garantiegeber dann noch. Solarworld AG mit den längsten Garantien für PERC-Module geht ja gerade in die Insolvenz, die Garantie ist also faktisch wertlos. Wenn der Garantiegeber „noch lebt“, ist die zweite Frage zu beantworten: Wo ist der Gerichtsstand zum Einklagen der Rechte aus der Garantie? In China? In Korea??? In Malaysia??? Bei unserem letzten Projekt haben wir den Anbieter gebeten, die Garantie mit einer Sicherheit zu unterfüttern (Bürgschaft auf Kosten des Käufers (!) über nur 5 % der Summe über nur 5 Jahre). Er hat abgelehnt, weil ihm das Risiko zu hoch war. Das sagt doch eigentlich alles, oder?

Das Thema wird uns auch auf dem 18. Forum Solarpraxis@Neue Energiewelt am 16.-17. November 2017 (Link zum Forum)  in unserer Qualitätssession beschäftigen. Und im Januar 2018 werden wir mit dem 5. Qualitätstag für PV und Speicher (Link zum Qualitätstag) unsere bis 2014 jährlich stattfindende Qualitätstagung wieder aufnehmen.

Dort wird Tacheles geredet und nicht mit Schafwollbällchen im Ungefähren geworfen – denn die Handwerker und Anwender müssen Ross und Reiter kennen. Andernfalls zahlen sie die Zeche verantwortungsloser Produktentwicklung auf dem Rücken der Kunden.

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