Gastbeitrag: Wo sind die Energiefrauen?

2016 gab das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Österreich eine Studie zur Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Energiewirtschaft in Auftrag. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie (Link zur Sudie): Der Frauenanteil in Österreichs Energieunternehmen liegt bei 19,3%. 10,6% der Führungspositionen der 1. bis 3. Ebene sind durch Frauen besetzt. Vergleichbare aktuelle Zahlen für Deutschlands Energiebranche konnte ich nicht finden.

Die Studienergebnisse finde ich hoch interessant, ganz besonders die Einschätzungen zu den Gründen des niedrigen Frauenanteils. Auf Platz 1-3 der Antworten liegen: „es fehlt an Frauen mit passender Qualifikation“, „Frauen sind in der Energiebranche wenig sichtbar“, „es fehlen weibliche Vorbilder in der Energiebranche, an denen sich Frauen orientieren können“. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Gründe bei den Frauen selbst gesehen werden.


Aussage: es fehlt an Frauen mit passender Qualifikation


In den letzten Jahren ist die Zahl der MINT-Absolventinnen in Deutschland kontinuierlich gestiegen. 2015 lag die Zahl der Absolventinnen in den Ingenieurswissenschaften bei über 23.000, in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften bei über 31.000. (Link zur Statistik) MINT-Fächer werden stark nachgefragt: 2015 starteten 309.194 StudienanfängerInnen in Mathematik/Naturwissenschaft, knapp die Hälfte davon weiblich, und 748.933 in Ingenieurwissenschaft, davon etwa ein Fünftel weiblich. (Link zur Statistik) Die Frauen mit Qualifikation gibt es also, die sich höchstwahrscheinlich auf Stellenausschreibungen mit angemessenen Konditionen auch bewerben würden.


Aussage: es mangelt an weiblichen Vorbildern in der Energiebranche


Wenn ich ad hoc Frauen der Energiebranche mit Vorbildfunktion aufzählen soll, dann fallen mir direkt und ohne groß zu überlegen eine ganze Menge Namen ein, doch letztendlich muss ich der Aussage „Frauen sind in der Energiebranche wenig sichtbar“ zustimmen. Diese Frauen tauchen im öffentlichen Alltagsgeschehen der Energiebranche nur sporadisch auf.


Sichtbarkeit von Frauen in der Energiebranche


Gestern zum Beispiel tat sich mir ein unverhofftes Zeitfenster auf. Das habe ich dafür genutzt, den Stapel an Energiefachzeitschriften durchzusehen. Nach dem achten oder neunten Artikel drang die Feststellung in mein Bewusstsein, dass in allen Artikeln und Interviews hauptsächlich Männer zitiert oder interviewt wurden oder Männer die Autoren waren. Also begann ich eine Strichliste zu führen, um mein ungutes Gefühl zu widerlegen. Das ist mir jedoch nicht gelungen: 48 Striche in der Spalte mit männlichen Autoren/Interviewpartnern/Zitaten, 7 Striche bei weiblichen, 3 Striche bei ‚gemischt‘ -  nach der dritten Zeitschrift habe ich aufgegeben.
Also nahm ich mir die Einladungen zu Fachtagungen vor mit ähnlichem Ergebnis: 63 Männer hinterm Rednerpult oder auf dem Podium aber nur 10 Frauen – Moderation eingerechnet. Aus eigener Erfahrung als Veranstalterin weiß ich, dass es nicht einfach ist, ausgewogene Podien anzubieten. Ich verwende viel Zeit und Kraft darauf, bei der Programmgestaltung aktiv nach Referentinnen zu suchen und diese zum Vortrag einzuladen, vor allem für unser Forum Neue Energiewelt (Link zur Veranstaltung), bei dem etwa 700 Akteure aus den innovativen Unternehmen der neuen Energiewelt zusammenkommen.


Die Energiebranche ist derzeit radikalen Einflüssen ausgesetzt, die von außen und von innen auf die bestehenden Strukturen einwirken und die die Energiebranche verändern. In dieser neuen Energiewelt verlaufen die Grenzen nicht mehr zwischen konventioneller und erneuerbarer Energieerzeugung oder zwischen EEG-Befürworter und –Ablehner. Die Grenzen verlaufen eher in den Köpfen der Marktakteure zwischen ‚alles soll so bleiben, wie es ist‘ und ‚lasst uns gemeinsam die neue Energiewelt gestalten‘. Eine Neugestaltung der Energiewelt kann ohne die Ideen, Leidenschaft und Kraft der Energiefrauen nicht gelingen. Daher ist eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Neugestaltung, unsere Sichtweisen und Rollenverteilungen radikal zu ändern – je schneller desto besser.
Daher sollten wir die Frauen der Energiewelt wo immer möglich sichtbar machen.


Wo sind die Frauen der neuen Energiewelt?


Es gibt eine ganze Reihe an Netzwerken, in denen sich die Frauen der Energiebranche engagieren können. Viele davon sind firmenintern zum Beispiel bei E.ON, EnBW, RWE, Siemens, GE oder dem TÜV oder durch Unternehmen organisiert aber offen für alle Frauen der Branche. Zum Beispiel women&energy (betrieben von pwc) unterstützt den fachlichen und persönlichen Austausch von weiblichen Führungskräften der Energiebranche (Link zu women&energy).

weitere Netzwerke und Vereine für Energiefrauen sind:
Hypatia e.V. - Netzwerk für Frauen in Erneuerbaren Energien und Cleantech (Link zu Hypatia)
Life e.V. - Frauen entwickeln Ökotechnik, (Link zu Life)
wom.e.n. - Netzwerk von und für Frauen in der Energiewirtschaft (Link zu wom.e.n.)
Women in Digital - Netzwerk für Frauen der Digitalbranche für größere Sichtbarkeit und Vernetzung (Link zu Women in Digital)
Women of Wind Energy - weltweite Interessensorganisation für Frauen der Windenergiebranche (Link zu Women of Wind Energy)
women4energy - europäisches Netzwerk für Energiefrauen für den Austausch zu laufenden Forschungen und Entwicklungen (Link zu women4energy)

Fachübergreifende Frauennetzwerke und Plattformen mit Anteil an Energiefrauen sind:
BPW Germany – Netzwerk für Business & Professional Women (Link zu BPW)
Deutscher Ingenieurinnenbund dib -  Netzwerk für Frauen in technischen Berufen (Link zu dib)
Femtec – Netzwerk zur Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik (Link zu Femtec)
Genderdax -  Plattform, um hochqualifizierte Frauen mit Unternehmen in Kontakt zu bringen, die weibliche Fach- und Führungskräfte gezielt fördern (Link zu genderdax)
We are Panda – Netzwerk für Führungsfrauen und mehr Sichtbarkeit von Frauen (Link zu We are Panda)

Es gibt aber auch weitere Quellen, um Energiefrauen zu finden: zum Beispiel die Speakerinnen Liste (Link zu Speakerinnen), in die sich Fachfrauen eintragen und die es den Veranstaltern, aber auch den Herausgebern leicht macht, Podien und Interviews mit Expertinnen zu besetzen. Oder Publikationen wie „Energiewende - Der (etwas) andere Blick“, herausgegeben und publiziert vom Netzwerk women&energy und etv energieverlag (Link zur Publikation)  Und natürlich Events wie women&work (Link zu women&work) oder Netzwerktreffen und Events, die von den o.g. Netzwerken angeboten werden.


In diesem Sinne lade ich die Leserin herzlich ein zum unabhängigen Netzwerktreffen der Energiefrauen im Rahmen der Intersolar Europe 2012 am 01. Juni von 12 Uhr bis 13.30 Uhr (Link zu Infos und Anmeldung) und bitte den Leser, diese Einladung an die Frauen in seinem Netzwerk weiter zu leiten. Bei diesem Netzwerktreffen stellen sich Energiefrauen in kurzen Elevator Pitches vor, im Anschluss ist ausreichend Zeit zum Netzwerken. Das Netzwerktreffen wird veranstaltet von Solarpraxis Neue Energiewelt AG (Link zur Solarpraxis) und Hypatia e.V. (Link zu Hypatia). Wir danken SMA Solar Technology (Link zu SMA) für die freundliche Unterstützung.

Haben Sie Zahlen zum Frauenanteil in der deutschen Energiebranche?
Kennen Sie weitere Energiefrauennetzwerke, Events für Energiefrauen?
Haben Sie weitere Informationen, die Sie mit den Energiefrauen teilen wollen?
Bitte schreiben Sie diese in die Kommentare. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen und den Austausch mit Ihnen. Kontakt zur Autorin

 Ein Gastbeitrag von Tina Barroso, Prokuristin der Solarpraxis Neue Energiewelt AG

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Kommentare: 1
  • #1

    Stefanie Groll (Montag, 29 Mai 2017 13:59)

    Danke für diesen Gastbeitrag, Frau Barroso. Wir müssenden vielen männlichen Chefs und Kollegen klar machen, dass Energiewende/wirtschaft von Frauen UND Männern gemacht wird. Viele männliche Chefs und Kollegen greifen aus Bequemlichkeit, Nicht-Wissen und (unbewusst) sexistischer Arroganz lieber auf ihresgleichen und ihre Buddies zurück, wenn Inputs, Key Notes und andere Beiträge vergeben werden. Wir Energiefrauen brauchen darum auch die Unterstützung emanzipierter Chefs und Kollegen, um sichtbarer zu werden.