EEG Novelle: Alle heulen

Falls Sie sich jetzt über diese Überschrift wundern sollten:
Ja, ich habe keine Lust mehr auf die kollektive Heulerei, die von allen (z.T. verfeindeten) Seiten reflexartig mit dem Abschluss der EEG-Novelle 2016 eingesetzt hat.
Und ja, auch mir geht die Energiewende weiterhin viel zu langsam und zu unkoordiniert. Zu meckern hab ich auch vieles, aber ich habe mich entschieden dies heute nicht zu thematisieren.
Denn die ganzen Probleme sind nicht allein der Bundesregierung in die Schuhe zu schieben, solange die Energiewendedebatte auf beiden Seiten des Schützengrabens zwischen ‚neuer‘ und ‚alter‘ Welt von einer bizarren Kakophonie beherrscht wird. 

Auf der einen Seite stehen die Bremser der Energiewende, sei es aus Perspektivlosigkeit oder auch schlichtem Gegnertum oder was auch immer, auf der anderen die Beschleuniger der Energiewende, die sich aber auf sicherlich zehntausende von Stimmen und eine unüberschaubaren Anzahl von Interessengruppen aufteilen. Der Schützengraben läuft also schon lange quer durch Unternehmen, Verbände und auch die Politik natürlich.

 

Die Bremser kommen aus verschiedenen Lagern

Schon lange ist dabei ein klassisches Unternehmen nicht mehr per se der Bremser und die Unternehmen der Erneuerbaren Energien die Helden des Aufbruchs.
Nein, Strukturkonservative und Veränderungsverweigerer sind munter verteilt und so steht die Politik, nüchtern betrachtet, einem vollkommen diffusen Bild gegenüber. Verantwortliche Berliner Politiker und Beamte, die das Projekt Energiewende umsetzen wollen, sprechen von der bisher komplexesten EEG- Novelle und sind z.T. verwundert, dass man überhaupt etwas in der vorgegebenen Zeit hinbekommen hat. "Überhaupt hinbekommen" ist auf Dauer aber viel zu wenig, um die massiv wachsenden Herausforderungen des Systemumbaus zu begleiten. Und dabei reden wir hier gerade einmal von einem Segment des Stromsektors – Wärme und Mobilität gehören schließlich auch zur Energiewende. Bleiben wir zur Vereinfachung im Stromsektor.
Und da Politik die Aufgabe hat, eben diverse Interessen auszugleichen oder im Falle der Energiewirtschaft dazu beizutragen, dass wir an 365 Tagen 24 Stunden Strom und andere Energie haben, sind die Aktionen entsprechend sprunghaft oder wie auch immer man das bezeichnen mag.
Denn es gibt keinen Verband oder andere Interessensgruppe, die einmal abgesehen vom politischen Pulverdampf, eine klare Strategie und die notwendige Umsetzungskraft über die gesamte Breite des Systems liefert.

 

Die gesamte Breite des Systems steht auf dem Prüfstand

Die gesamte Breite bedeutet dabei eben viel viel mehr als eine erneuerbare Erzeugung – wo auch immer, wie auch immer, Hauptsache schnell viel mehr. Die gesamte Breite bedeutet umgekehrt schon gar nicht, dass man krampfhaft versucht, die politisch seit 2011 nicht mehr gewollten Erzeugungskapazitäten in der Kohle am Leben zu erhalten – ebenfalls ohne jede Strategie oder Ideen, was man denn z.B. an den Standorten nach der Abschaltung machen will oder kann.
Zur gesamten Breite gehören integrative Ansätze für neue Marktmodelle inklusive einer echten Direktvermarktbarkeit von "grünem Strom" ebenso wie gut gemachte Regeln für den Netzumbau. Ja, Netzumbau muss das heißen, denn wir werden neben Digitalisierung und Speichereinsatz auch einen Netzrückbau erleben, wenn wir keine Nachnutzung der Braun-& Steinkohle- sowie Atomkraftwerkstandorte finden. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen und zeigt eindrucksvoll, dass die Zeiten der "allumfassenden Selbstoptimierung" schnell zu Ende gebracht werden. Denn sonst wird das Projekt Energiewende massiv ausgebremst und es besteht eine zunehmende Gefahr für das Projekt an sich.

 

Im System denken
Deshalb möchte ich alle Beteiligten, die die Energiewende wollen – und zwar ohne Wenn und Aber – bitten, sich außerhalb der überholten Trampelpfade mit guten Kolleginnen und Kollegen zusammen zu setzen und neue Ideen auch direkt zu übermitteln – aber bitte im System gedacht!
Wir werden mit dem Forum Neue Energiewelt am 10.-11. November 2016 in Berlin daran weiter aktiv mitwirken, und auch ich werde weiter gute Leute aus allen Teilen der Industrie, Politik und Medien treffen, die wollen, dass Deutschland das schafft. Und das sind viele.

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Kommentare: 15
  • #1

    Dieter Lanze (Donnerstag, 01 September 2016 12:13)

    ... auf den Punkt - nein, besser auf die Punkte gebracht. Dem ist wohl nichts Wesentliches hinzuzufügen außer vielleicht der Hoffnung, dass die nötige intellektuelle, verbale und mediale Abrüstung auf beiden Seiten zu einer Versachlichung führt, deren Lösungsansätze den gewaltigen Herausforderungen gerecht werden.

  • #2

    Fedor K.H. Krämer (Donnerstag, 01 September 2016 12:30)

    Danke Herr Remmers, klare Worte. Ihren Beitrag werde ich weiterleiten an die Agenda21 in der wir rege diskutieren.

  • #3

    Jürgen Duckert (Donnerstag, 01 September 2016 13:32)

    Sehr geehrter Herr Remmers,
    ich schreibe gerade an einem Buch "Die Energiewende - Anspruch und Wirklichkeit" und leide wie Sie an der kaotischen Situation. Die EEG Novelle und das neue Strommarktgesetz sind auf einen Zeithorizont 2020 ausgerichtet. Nimmt man die Ziele für 2050 ernst, dann fehlt eine langfristige Strategie, die angesichts der kurzen Legislaturperioden wohl politisch auch nicht zu erwarten ist. Das ewige Gezerre zwischen zentral - dezentral und Strommarkt - Kapazitätsmarkt ist absurd.

  • #4

    JCW (Donnerstag, 01 September 2016 14:53)

    Wir leben halt in einem demokratischen Staat, wo nicht per ordre de mufti irgend eine Lösung, die dem Mufti gerade gefällt, auf Biegen und Brechen durchgezogen wird, sondern jeder seine Meinung haben und danach handeln darf. Da darf man auch "das Netz als Speicher verwenden" oder "die Netzparität" verkünden, wenn auch beides nicht der Realität entspricht, oder der Meinung sein, Ananaszucht in Alaska wäre das Projekt mit den besseren Erfolgsaussichten als Photovoltaik im großen Maßstab. Mit diesen Beispielen ist es mir hoffentlich gelungen, exemplarische Dummheiten beider Extreme zu zitieren. Der Weg und das Ziel ergeben sich im Diskurs. Sowohl die alten Akteure haben ein Recht auf sozialverträgliche Abwicklung, wie die neuen auf sozialverträgliche Unterstützung. Zum ordentlichen demokratischen Staat gehört nicht nur, dass die Mehrheit sich durchsetzt, sondern auch, dass Minderheiten einen angemessenen Schutz haben. Wenn es dem Staat gelingt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass zum Schluss eine gute Lösung entsteht (ohne dass heute schon einer sagen kann, wie diese Lösung konkret aussieht), dann hat er seine Pflicht getan. Und der Staat sind wir alle, weshalb jede Diskussionsveranstaltung auf jeder Ebene ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer guten Lösung ist. Viel Erfolg!

  • #5

    Heinz Geckler (Donnerstag, 01 September 2016 18:28)

    Hallo Herr Remmers,
    Sie sprechen mir aus der Seele. Das Problem beginnt doch bereits ganz unten, indem sich Handwerksbetriebe aus verschiedenen Gewerken "bekriegen" statt die Positiven Aspekte eine Kooperation sowohl im Interesse unserer Kunden wie auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht in den Vordergrund zu rücken.
    Mein Sohn und ich experimentieren seit inzwischen ca. 3 Jahren an einer komplexen Lösung für die Altbau-Sanierung, in der wir in der Kombination Photovoltaik, Wärmepumpe und Speichersystem Einsparpotenziale vor allem für die Objekte ermitteln, bei denen es einen sehr großen Aufwand bedeutet an die Gebäudehülle zu gehen. Wir geben unsere Ergebnisse auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage laufend bekannt: www.geckler-ee.de.
    Nur wenn alle Beteilgten an einem Strang ziehen kann die Energiewende Erfolg haben. Wenn das aber geschieht kann uns die Politik gar nicht mehr bremsen,

  • #6

    Rolf Weber (Freitag, 02 September 2016 13:56)

    Guten Tag Herr Remmers,

    Die gesamte Breite des Systems steht auf dem Prüfstand
    Ja, dass sehe ich auch so. Allerdings sehe ich die Notwendigkeit, unser Wirtschaftssystem auf den Prüfstand zu stellen. Solange sich dieses an der Maximierung von Umsatz und Gewinn orientiert, gibt es Kampf um Macht und Einfluss auf die zukünftige Gestaltung des Energiesystems. Und zwar jeweils aus der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit heraus, seine eigenen Pfründe zu sichern und für die Zukunft zu stärken.
    Jetzt können wir anfangen, das Energiesystem gedanklich so zu gestalten, dass es technisch die Energiewende schnell und kostengünstig umsetzt. Dabei sind die Pfründe aller Beteiligten, auch der zentralen, alten Energiewirtschaft, zu berücksichtigen. Wie soll das gehen, solange wir in einem Wirtschaftssystem gefangen sind, das Umsatz und Gewinn als oberstes Ziel hat? Und dieses Problem haben auch alle anderen Branchen: Gesundheitsbranche mit mehr Zucker und Fett in den Lebensmitteln als der Konkurrent, damit Umsatz und Gewinn steigen; Finanzmärkte mit Steigerung der Rendite für Geldgeber, völlig unabhängig davon, welche Produkte mit dem Geld finanziert werden; …

    Die Energiewende war in der Vergangenheit so erfolgreich, weil viele Aktive von unten einfach angefangen haben. Es steht an, diesen Anfang jetzt auch für die Änderung des Wirtschaftssystems zu starten. Wenn Sie Interesse daran haben, nicht nur das Energiesystem zu thematisieren, sondern auch beginnen, unser Wirtschaftssystem in Frage zu stellen, komme ich gerne am 10./11.112016 nach Berlin. Weitere Infos finden Sie unter http://www.pv-magazine.de/nachrichten/details/beitrag/gemeinwohl-konomie-und-energiewende_100022135.

  • #7

    Dieter Winkler (Freitag, 02 September 2016 14:37)

    Lieber Karl-Heinz, hier im Osten ist der Anteil der Erneuerbaren Energien im Netz prozentual deutlich höher als im Westen. Der Osten ist das Labor der Energiewende, sagte der Vertreter eines Ostdeutschen Verteilnetzbetreibers. Wurde das Netz dadurch instabil? Nein, das Netz steht. Die Mitarbeiter in der Berliner Hauptnetzleitstelle sowie in den sieben regionale Leitwarten des Übertragungsnetzbetreibers schafften das, was wir früher für unmöglich hielten: Riesige fluktuierende Mengen an Wind- und Solarstrom zu übertragen, die Frequenz konstant zu halten und die Netzstabilität zu gewährleisten. Darüber freuen wir uns jetzt mal. Gleichzeitig wurden und werden die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke und -gruben verkauft und stehen vor der Schließung. Einerseits zuviel Strom aus Wind und Sonne, andererseits frei werdende Arbeitskräfte. Wo ist die Lösung? Siedeln wir doch stromintensive Industrien an. Das schafft Arbeit. Das vermeidet den Bau von Stromtrassen vom Osten in den Westen. Das nützt uns allen.

  • #8

    Rainer Doemen (Sonntag, 04 September 2016 00:42)

    Lieber Hr. Remmers,
    ihre Analysen sind stets scharfsinnig. Was denke ich, müssen wir tun? WIR müssen gemeinsam Fragen beantworten und klare Ziele als Rahmen festlegen. WIR, das sind alle Erdenbürger*innen. Sollten wir nicht akzeptieren, dass die Masse weltweit anerkannter Wissenschaftler*innen nicht irrt mit ihrer Empfehlung, den CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren? Müssen wir Bürger*innen uns nicht zwingend auf klare Ziele verständigen? Tun wir dies, wird es uns gelingen, solchen klaren Zielen logisch und fachlich versiert weitere Ziele unterzuordnen? Haben wir alle relevanten Ziele mehrheitlich festgelegt, stehen wir immer noch vor der Entscheidung des dafür bestmöglich geeigneten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Eines steht allerdings seit mehr als einem Jahrhundert fest: ein neokapitalistisches Wirtschaftssystem ist und bleibt ein Irrweg zur Zielerreichung. In diesem weltweit vorherrschenden System sind (Kirchturms-)Entscheidungen, die auf kommunaler, landes-, bundes- und/oder europäischer Ebene Tagesgeschäft sind, in der Regel keine zielorientierten und nachhaltig wirkenden, sondern kurzfristige Fehlentscheidungen. Dr. Hermann Scheer (++) hatte diese Gemengelage, bei der selbstherrlich, machtorientiert und gewinnmaximierend agierende Menschen den Hut aufhaben, beschrieben als GESAMTGESELLSCHAFTLICHE HERAUSFORDERUNG. Und genau das ist es, was wir gemeinsam anzugehen haben. Viele richten dafür sog. "Runde Tische" ein. An solchen Runden Tischen haben machtorientierte Menschen weniger Chancen auf Selbstverwirklichung. Im Ergebnis wird es ihnen schwerer fallen, Ängste zu schüren und Feindbilder aufzubauen. Uns Menschen wohnt seit unserer Geburt eine in uns schlummernde Kraft inne: die "innere Verbundenheit". Gelingt es uns, diese "innere Verbundenheit" im Alltagsleben zu aktivieren, wird es uns auch gelingen, uns übergeordneten Zielen unterzuordnen und GEMEINSAM unseren Weg zur Zielerreichung zu beschreiten. Keiner muss deshalb verhungern oder mehr Elend als aktuell schon erleiden.

  • #9

    Thorsten Rissom (Sonntag, 04 September 2016 22:11)

    Diese ganzen extrem komplizierten und bürokratischen Regeln könnte man sich sparen, wenn man endlich eine Steuer auf CO2-Emission einführen würde. Das ist das Grundproblem und das muss gelöst werden. Alles andere ist Deckstühle auf der Titanic rearrangieren. Mein Vorschlag: EEG abschaffen und CO2-Emissionssteuer einführen. Für Teile der Wirtschaft wäre das natürlich unangenehm, weil das EEG zum Instrument der Umverteilung von Geld von Privatverbrauchern zur Industrie geworden ist.

  • #10

    Horst Leithoff (Montag, 05 September 2016 00:32)

    Liebe Freunde der Erneuerbaren Energie,
    Das Thema ist einerseits ungeheuer komplex und andererseits so einfach:
    Bevor wir irgendwem die Schuld zuweisen, sollte die Politik dafür sorgen, dass jeder 'Strom'-Produzent alle Kosten, die mit seinem Strom verbunden sind, in den Strompreis einrechnen müssen. Dies gepaart mit freiem Marktzugang würde faire Marktbedingungen schaffen und der Verbraucher könnte sehen, wie teuer ihn der preiswerte Kohlestrom tatsächlich zu stehen kommt.

    Bis vor weningen Jahren war man sich einig, dass EE-Strom dafür bezahlt wurde, dass er sauber war. Das wurde mit einer festen Einspeisevergütung honoriert. Es wurde nicht als Subvention verstanden. Das hat sich grundlegend geändert. Politik und Presse schüren die Angst vor der unbezahlbaren Energiewende. Dabei können die Erneuerbaren im direkten Vergleich durchaus mit Strom aus neuen, konventionellen Kraftwerken konkurrieren.
    Aber die Erneuerbaren machen heute einen wesentlichen Anteil am Strommarkt aus. Damit sind wir keine Niche mehr, die geduldet wird, sondern ein harter Konkurrent. Also gibt es einen harten Kampf um Marktanteile und politisches Gewicht.
    Was unserem Land fehlt, ist ein Gesamtkonzept, das nicht von politischen Grosswetterlagen sondern von technischem Sachverstand gesteuert wird. Marktwirtschaft allein ist hier kein guter Ratgeber. Die Probleme des Strommarktes sind heute grundlegend anders als zu Zeiten der grossen Zentralisierung der Stromproduktion. Hier stösst die Privatisierung an ihre Grenzen. Netzbetreiber, Energiekonzerne, Stadtwerke und auch die Bürgerwindparkgesellschaften müssen betriebswirtschaftlich denken. Gemeinwohl findet da nur am Rande Platz. Und je geringer die Gewinne ausfallen, desdo geringer wird der Einsatz für das Gemeinwohl ausfallen.
    Es fehlt schlicht und ergreifend ein Instrument, wie wir Gemeinwohl in unsere Betriebswirtschaft implementieren. Welchen Wert hat echte Teilhabe an einem Projekt oder Frieden in einem Dorf?
    Bürgergenossenschaften wähnen sich dichter am Gemeinwohl. Durch ihre Regionalwirtschaft haben sie vielleicht einen unmittelbarer erlebbaren Effekt auf das von uns Bürgern empfundene Gemeinwohl. Ausserdem unterliegen sie - anders als Konzerne - einer ganz direkten "Sozialkontrolle". Die Akteure der Bürgergesellschaften haben einen Namen. Sie sind Nachbarn. Man kann mit dem Finger auf sie zeigen. Und es sind viele kleine Einzelakteure, die eben erst beginnen zu begreifen, dass sie als Einzelkämpfer und Individualisten kaum noch Einfluss nehmen können. Sie haben den Goodwill der "Welpen" verloren und sollen jetzt lernen hart am Wind bei schwerer See zu kreuzen. Ihre ehrlichen Erfolge von gestern werden ihnen heute als "Überrenditen" angekreidet. Dabei haben sie nichts falsch gemacht. Sie haben auf die politisch gewollten Anreize reagiert. Sie haben gezeigt, dass eine Technologie erfolgreich entwickelt werden kann. Und es waren nicht die Windmüller, die den Netzausbau verschleppt haben.
    Heute wollen wir in die Sektorenkopplung einsteigen. Dezentral und flexibel. Allein, die Politik sie macht die Hausaufgaben nicht. Das EEG 2017 hätte neue Anreize schaffen können. Es hätte ein Energiewendegesetz werden können. Es hätte es werden müssen. Aber der gesetzlichen Rahmen erlaubt unsere Experimente nur halbherzig. Die Anpassung erfolgt nur langsam und widerwillig. Wir wollen umschalten statt abschalten. Aber die Energie der abgeregelten Anlagen darf nicht genutzt werden. Wir wollen unseren Strom direkt an unsere Nachbarn verkaufen. Aber wir dürfen es nicht, weil wir ohne EEG-Vergütung nicht zurecht kommen und weil wir genen weiter subventionierten Kohlestrom nicht konkurrenzfähig sind. Schade. Einem echten Markt würden wir uns gerne stellen.
    Horst Leithoff, Dipl.Ing.(FH);
    Geschäftsführer von Bürgerwindparkgesellschaften und Sprecher des Bürgerwindbeirates im BWE

  • #11

    Michael (Montag, 05 September 2016 10:52)

    Es ist schon paradox wir also die BRD Produziert Strom um ihn dann wieder ins Ausland zu verkaufen um dann wieder Strom eben aus dem Ausland einzukaufen und uns Bürger diesen Teuer zu verkaufen, dies ist eigentlich schon Krank.....
    Statt dessen werden Zuwendungen für den Eigenheimbesitzer herunter gefahren als diesen noch mehr zu Fördern um diesen in die Situation zu bringen völlig Autak von Versorgern zu sein, sind wir doch mal Ehrlich die Förderprogramme sind schon gut gemeint aber eben nur dies....

  • #12

    Christfried Lenz (Montag, 05 September 2016 12:50)

    Auch mich regt das Heulen und Jammern auf. Es ist die verkehrte Welt:
    Die Erneuerbaren sind allen anderen Arten der Energieerzeugung
    überlegen, weil nur sie die Chance enthalten, den Klimawandel zu
    bremsen. Ihre Repräsentanten stellen diese Überlegenheit aber nicht dar,
    sondern treten als Bedürftige auf, als Almosenempfänger, quasi als
    "Hartzer" - und als solcher kann man nun mal nicht anders als heulen
    und jammern.

    Die Situation hat allerdings einen Hintergrund: die EEG-Umlage! Als man
    erkannte, welche Auswirkungen die CO2-Emission hat, wäre es eigentlich
    logisch gewesen, die Verursacher zur Kasse zu bitten. Hätte man dies in
    einem sachgerechten Umfang getan, wäre allerdings die gesamte
    Energieerzeugung - weil unbezahlbar - zusammengebrochen. Die Alternative
    existierte ja erst in Ansätzen. So beaufschlagte man den konventionellen
    Strom nur mit einem Betrag, der gerade groß genug war, um die
    Entwicklung der EE zu ermöglichen. Genau dadurch wurde nun aber einer
    üblen und verlogenen Propaganda die Tür geöffnet: Nicht die
    konventionelle Energie ist teuer (durch Klima- und Umweltschaden), nein
    die EE sind teuer! Wenn sie nicht durch die EEG-Umlage "subventioniert"
    würden, würde es sie gar nicht geben. Wie sollen sie die konventionelle
    Energie ablösen können, wo sie selber doch von dieser abhängig sind?!
    Völlig aus dem Blick gerät so, dass es die Konventionellen sind, die
    aufgrund ihrer Klima- und Umweltauswirkungen den Umstieg auf die
    Erneuerbaren nötig machen.

    Angesichts der Tiefen, in die die Erzeugungskosten erneuerbarer Energien
    mittlerweile gesunken sind und angesichts der Energiemengen, die heute
    mit ihnen erzeugt werden können (sofern man es wollen würde), ist die
    Voraussetzung gegeben, die Gesamtkosten, die mit der jeweiligen
    Stromerzeugung verbunden sind, im Strommarkt abzubilden. Wenn jeder auch
    die externen Kosten seines Stroms auf der Rechnung hätte und bezahlen
    müsste, könnte die EEG-Umlage entfallen. Der Preisvorteil der EE wäre so
    gewaltig, dass niemand mehr im Traum daran denken würde, Kohle- oder
    Atomstrom zu kaufen. Wegen der Energiewende bräuchten wir uns dann keine
    Sorgen mehr zu machen, und deren Akteure erhielten die Würdigung, die
    ihnen zusteht. Das Heulen wäre vorbei.

  • #13

    Klaus Ernst Paul Puchstein (Mittwoch, 07 September 2016 08:50)

    Seit Anfang der Energiewende war die Rede davon, dass ein Großteil des Energieverbrauchs eingespart werden muss, um die notwendige CO2 - Reduzierung hinzubekommen. Das Gegenteil ist der Fall: es wird alles unternommen, um den Verbrauch von Wärme und Strom noch zu steigern. Das kann man leicht bei DESTATIS ablesen. Vom 31.12.2010 bis 31.12.2014 sank die Bevölkerungszahl in Deutschland von 81 751 602 auf 81 197 537 also um 1/2 Mio. Einwohner. Im selben Zeitraum stieg die Wohnraummenge pro Kopf um 1,5 qm. Das sind 120 Mio. qm mehr, die beheizt und mit Strom versorgt werden müssen. Kleinere Wohnungen wurden durch größere ersetzt, oftmals durch Abriss und Neubau, was an sich schon die CO2-Bilanz völlig verhagelt. Die Folge ist ein Mangel an kleinen bezahlbaren Wohnungen für Menschen mit kleinstem Einkommen. Sie haben die höchsten Wohnkosten pro Quadratmeter überhaupt. Im Buch 'Meine unpfändbare Wohnung' zeige ich praktikable Wege, wie Wohnraum besser genutzt werden kann und wie wir damit gleichzeitig CO2 Emissionen vermeiden können. Daniel Fuhrhop beschreibt in seinen Büchern, dass wir alle Flüchtlinge ohne einen einzigen Neubau unterbringen könnten. Er weist nach, das vor der Zuwanderungswelle von 1995 bis 2015 in Deutschland der Wohnungsbestand um 6 Mio. Wohnungen wuchs, ohne dass es in Deutschland auch nur einen Einwohner mehr gab. Wenn wir endlich anfangen, ungenutzte Gebäude und Wohnflächen sinnvoll zu verwenden, sinkt auch der CO2 Ausstoß. Über die CO2-Ausstoßentwicklung bei der Mobilität soll jemand schreiben, der sich damit befasst hat, aber gesunken ist der Verbrauch insgesamt auch nicht. Nur noch so viel zur Kohleverstromung: Alle, die in den letzten Monaten mit Hochwasser im Haus oder Zerstörungen durch Stürme zu tun hatten, können sich dort und bei den Verursachern der Verkehrsströme bedanken. Und wenn jetzt verstärkt Flüchtlinge aus Afrika zu uns kommen, ist ebenfalls der Klimawandel auf Grund von CO2-Produktion die Ursache.

  • #14

    M. Lange (Mittwoch, 14 September 2016 23:07)

    Die Denkrichtung des Leitartikels geht in die richtige Richtung.
    Mehr noch, es ist dringend notwendig, statt zu heulen lieber mal etwas weiter zu denken:
    ohne Scheuklappen, tiefer, komplexer, ja - auch ganzheitlicher.
    Da sollte man z.B. schon mal bedenken, wie die energetische Modernisierung bei den Mietern ankommt - also auch z.B. Mieter -und Sozialverbänden mit einbeziehen, sich u.a. mit Mietrecht und Wirtschaftlichkeit befassen, um nur ein Beispiel zu nennen.
    Jetzt sind zunehmend auch Fragen wichtig der Verkehrsplanung, der Stadtplanung, der zukünftigen Lebensgestaltung, der Volkswirtschaft...Damit stellen sich plötzlich etwas komplexere Probleme als: "Verträgt sich denn der ausgeweitete Wärmepumpenstrombedarf noch mit der zeitlich gegenphasigen Strombereitstellung durch regenerative Quellen 2035? 2050?"
    Selbst diese "einfachen" technischen Fragen sind ja meist noch nicht befriedigend beantwortet – und zu oft sogar noch gar nicht mal gestellt.
    In unserer schwierigen E-Wendezeit verlockt es leicht, als "Guter" den "Bösen" die Schuld zu geben. Klar- gibt es "Böse": Wer würde denn nicht böse werden, wenn er z.B. im bisherigen Energiesystem sehr gut verdient hat und nun in der E-Wende vor dem Abgrund steht.
    Und klar- wissen wir eigentlich schon lange, dass einige der Bösen auch ganz mächtig sind: die politischen Drähte sind dick, da arbeiten genug Experten um auch um nette Ideen auszubaldowern. Aber die da entwickelten bösen Strategien sind auch so gemacht, dass wir sie nicht als solche sehen mögen: Desertec war ja technisch irgendwie toll… und der neue Tesla passt eben auch prima zur früh geübten Quartett-Spiel-Frage: „Wer hat den schnellsten Rennwagen?“- Toll jetzt kann man endlich Trumpfen- sogar nachhaltig mit „ Öko“-strom.
    Und klar ist auch: Wir sind die Guten, wenn wir uns gegen die menschengemachte Klimakatastrophe stemmen, die ansonsten z.B. Wohnungen im Meer versinken lässt. Das haben alle schon so gut verinnerlicht, dass die “bösen“ Atomstromer mit „Ökostrom“ sogar schon gute Werbung machen können und Wärmepumpen als „Solarenergiegeneratoren“ verkauft werden.
    Aber ist es denn wirklich schon „böse“, wenn einer zuförderst sich dafür einsetzt, dass der nächste Atomkrieg erst später stattfindet, erst mal mehr Lehrer eingestellt werden oder dass es erstmal überhaupt preiswerte Wohnungen für ihn gibt, die er dann später vielleicht auch gern mal vor der Sintflut retten würde?
    Eigentlich sind das im Grunde gar keine bösen Widersprüche und es gab diese Problematik auch schon immer. Aber warum heulen wir denn gerade jetzt? - Und das, obwohl die E-Wende ja eigentlich gerade zum Welterfolg wird: in China, USA, England... boomt es regenerativ und mehr noch: der Ölpreis womöglich sogar auch wegen der Regenerativen auf Talfahrt geht …
    Es ist die neue Dimension, die zunehmende Bedeutung für alle anderen Entwicklungen, die sich geändert hat und jetzt Bauchschmerzen macht:
    War die E-Wende vor 10 oder gar 20 Jahren so etwas wie ein Sandkastenspiel im Hinterhof- so bauen wir heute die ganze Stadt neu: Die Hunderte ja Tausende Milliarden €, die wir jetzt anmischen wollen, sind sozusagen fast alles an Beton und Arbeit was man bis 2050 überhaupt verbauen kann.
    Kein Wunder also, dass jetzt auch Frau Meier aus dem 4. Stock sich plötzlich dafür interessiert, ob ihr Leben dann noch rund läuft in dieser schönen, „guten“ neuen Energiewelt. Und Recht hat sie, die Frau Meier! Wir sollten schon kritischer schauen:
    Da werden uns z.B. als "Zukunftsmodell" Rennen mit E-Autos im dichtbewohnten Stadtzentrum dargeboten, gerade so, als ob wir jetzt- geschweige denn 2050- jeder allein im Auto durch die Innenstadt rasen sollen?- wollen?- dürfen?- nein: könnten!
    Und von den Kosten bei Tesla u. Co-Rennzweitautos will ich jetzt gar nicht reden, weil die meisten Normalbürger eh schon anfangen zu heulen, wenn sie bloß "Modernisierungsumlage" vom Vermieter hören.
    Na ja und eigentlich stell ich mir diese Stadt 2050 ziemlich verdichtet vor: viele Leute auf wenig Platz, hoffentlich nettes, lebendiges Treiben auf den öffentlichen Flächen- aber auch Grün und Ruhe, Spiel, Treff, Arbeit, Einkauf und Erholung, gesunde und sichere Lebensumgebung...
    Da ist der Platz eng: Fahrräder werden noch schwieriger abzustellen sein und man fährt viel U-Bahn.
    Und private PKW? Die gibt es -wie heute in Tokio, Paris und NY schon- kaum noch.
    Nicht weil die Energiebilanz 100x so schlecht wie die einer U-Bahn ist oder ein „irrer“ Umweltminister sie trotz „freier Fahrt für freie Bürger“ schon wegen der Unfallbilanz verboten hätte - sondern schlicht, weil es z.B. gar keine Parkplätze dafür mehr gibt (die man sich leisten möchte).


    Michael Lange, energieagent@t-online.de

  • #15

    Francesco (Dienstag, 20 September 2016 17:04)


    Hallo Karl- Heinz,

    geht es hier nicht um viel mehr?
    Müssen wir nicht alle mal bei den Wurzeln beginnen?

    Sollte sich nicht jeder Gedanken darüber machen, was, ausser Geld verdienen, noch wichtig sein könnte?

    Welche Visionen haben wir ?
    Wie können wir den nicht geldwerten Nutzen besser herausstellen, also alles, außer dem monetären Gewinn?
    Wie können wir das in einer Sprache kommunizieren, die wirklich jeder versteht?
    Welchen Raum müßte dieses Thema belegen, damit es wirklich von allen wahrgenommen wird?
    Welche Präsenz müßte man haben, damit das wahr genommen wird?
    Denn dann muss die Politik reagieren.
    In welchem Zeitraum sollte das geschehen?
    Was passiert, wenn so gut wie nichts gemacht wird?

    Der Markt ist so groß, besonders Deutschland hat so enorm viel Kapital, Geld ist eigentlich nichts mehr wert, wie kann man da heulen?
    Ausgereifte Produkte sind mehr als genug vorhanden.
    Potentielle Kunden gibt es auch mehr als genug.
    Ideen, Kombinationen von Möglichkeiten wachsen täglich.
    Wie kann man da heulen?

    Was fehlt
    • ist der Wille zum Wandel
    • ist der Mut , Dinge anders zu machen, auch mal eine andere Meinung zu haben und dies zu sagen
    • ist eine Kultur, die die positiven Möglichkeiten sieht, nicht nur die Bedenken
    • ist der wirkliche Glaube und die Leidenschaft, Dinge umsetzen zu wollen

    Wenn man sich mit jungen Menschen, unserer Zukunft, unterhält, dann ist es meist nicht mehr das Geld was zählt und an erster Stelle steht, sondern die Sinnhaftigkeit ihrer zukünftigen Arbeit. Das verkommt. Sie gehen ins Ausland. Da wird ihre Meinung geschätzt und respektiert. Sie ist was wert.
    Wenn man mit Kindern redet, merkt man, die verstehen vieles besser, meist als viele Manager.
    Weil sie das wirkliche Motiv sehen, das warum. Klar und einfach.
    Die meisten Menschen wissen, was sie machen, manche wissen, wie sie etwas machen, wenige wissen, warum sie etwas machen.

    Ich glaube das diese Themen genauso wichtig sind, zumindest um immer wieder Impulse zu geben und damit etwas anzustoßen. Mal eine andere oder weitere Perspektiven zu zeigen. Mut zu machen. Vielleicht auch mal alles plastisch so darstellen, das es wirklich jeder versteht. Den Mehr Wert herausstellen. Das was die meisten Deiner Leser eigentlich wissen, auch zu tuen. Mal zu überlegen, was sonst noch geändert werden kann, damit Dinge in Gang kommen. Rege diskutieren hilft nicht viel weiter. Machen ist die Devise.

    „Der eine wartet bis die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“ sagte schon Dante Alighieri und das ist ziemlich lange her. Anscheinend hat sich demnach nicht allzu viel im Grundsatz verändert. Schade !